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Salvatore Princi, Kommunikationstraining

Das Märchen von der Power-Frau

Aktualisiert: 18. Feb.


Das Märchen von der Power-Frau und warum die Krone des Erfolgs keine Selbsternennung verträgt.

Eine Königin, die sagen muss, «ich bin eine Königin!», ist keine Königin.


Die Bezeichnung «Power-Frau» wird oft verwendet, um starke, unabhängige und erfolgreiche Frauen in verschiedenen Bereichen zu beschreiben. Und obschon diese Bezeichnung positiv gemeint ist und die Leistungen von Frauen hervorheben soll, gibt es so einige Argumente, die darauf hindeuten, dass die Verwendung dieses Begriffs nicht unbedingt förderlich für die Interessen der Frau ist.



«Power-Frau» als Unterscheidungsmerkmal.


Keine Frau, die sich als «Power-Frau» bezeichnet, hat die Absicht, ihr eigenes Geschlecht zu schwächen. Doch genau das ist der unbeabsichtigte Nebeneffekt. Diese Selbstkrönung erzeugt eine künstliche Zweiklassengesellschaft unter Frauen und untergräbt die Solidarität und Gleichheit, für die sich viele engagieren.


Die Betonung des Begriffs schafft eine Abgrenzung, die andere Frauen implizit als weniger erfolgreich oder einflussreich erscheinen lässt – ein fragwürdiger Effekt, gerade wenn es darum geht, sich von männlich dominierten Strukturen zu emanzipieren.


Statt Geschlechterklischees zu durchbrechen, verstärkt das Label «Power-Frau» bestehende Stereotypen und fördert unnötige Konkurrenz. So trägt es paradoxerweise zur Stabilisierung jener Ungleichheiten bei, die es eigentlich bekämpfen sollte.



«Power-Frau» – eine Bezeichnung voller Widersprüche.


Das Märchen von der Power-Frau

Das Streben nach Abgrenzung von männlich dominierten Strukturen durch das Label «Power-Frau» birgt eine Ironie: Anstatt Hierarchien zu überwinden, schafft der Begriff unbewusst eine neue – diesmal unter Frauen selbst. Dies steht im Widerspruch zur Kritik an männlich geprägten Gesellschaftssystemen, die gerade für ihre hierarchischen Strukturen kritisiert werden. Frauen, die sich als «Power-Frauen» bezeichnen, laufen Gefahr, genau jene Mechanismen zu reproduzieren, die sie eigentlich aufbrechen wollen.


Bereits das Wort «Power» impliziert ein Gefälle – zwischen jenen, die sie haben, und jenen, die sie nicht haben. «Power» ist per Definition ein hierarchisches Konzept. Umso paradoxer erscheint es, wenn selbsternannte «Power-Frauen» Veranstaltungen zur Gleichstellung und Inklusion organisieren, ohne diesen Widerspruch zu hinterfragen.


Indem sie sich selbst als «Power-Frauen» etablieren, ziehen sie eine unsichtbare Grenze zu Frauen, die nicht unter dieses Label fallen. Das untergräbt ihr erklärtes Ziel, Gleichheit und Solidarität zu fördern. Statt Einheit zu schaffen, entsteht eine Spaltung in «wir» und «die anderen».


Aus marketingtechnischer Sicht mag diese Strategie sinnvoll erscheinen, da sie Aufmerksamkeit erzeugt und Einzelne als Vorbilder positioniert. Doch genau darin liegt die Problematik: Der Fokus auf individuelle Strahlkraft untergräbt die eigentliche Botschaft von Gleichheit und Inklusion.


Ein Teufelskreis entsteht: Solange einige als «Power-Frauen» gelten, bleibt die Hierarchie bestehen. Würden hingegen alle Frauen so bezeichnet, verlöre das Wort seine Bedeutung. Viele Frauen erkennen diese Ironie – weshalb sich nicht wenige bewusst von der Bezeichnung distanzieren.


Hinzu kommt ein weiteres Problem: Die Betonung der «Power»-Komponente erhöht den gesellschaftlichen Druck auf Frauen, einem bestimmten Erfolgsbild zu entsprechen. Das setzt unrealistische Massstäbe, beeinflusst Selbstwahrnehmung und Wohlbefinden und suggeriert, dass Macht und Erfolg extern validiert werden müssen – ein Widerspruch zur Idee, dass wahre Stärke oft in leisen Taten liegt.



Was Männer unter «Power» verstehen.


Das Märchen von der Power-Frau

Das Label «Power-Frau» ruft bei Männern oft Verwunderung hervor – nicht aus Geringschätzung, sondern weil sie den Begriff anders begreifen.


Männer wachsen in hierarchischen Strukturen auf. Schon auf dem Schulhof lernen sie, dass nicht alle gleich sind: Es gibt grosse und kleine, starke und schwache, fähige und unfähige Männer. Diese Realität wird früh und direkt vermittelt – durch Herausforderungen, Rangkämpfe und unausgesprochene soziale Regeln. Ein Junge, der das nicht kapieren will, wird diese Realität vor dem Unterrichtsbeginn, während der Pausenzeit und auch auf dem Nachhauseweg schnell zu spüren bekommen. Deswegen ist für Männer der Begriff «Power» von klein auf untrennbar mit Kompetenz und Durchsetzungskraft verbunden.


Männer wissen, dass es Menschen mit und ohne Power gibt – unabhängig vom Geschlecht. Was sie irritiert, ist der Widerspruch, wenn Frauen sich durch das Label «Power-Frau» einerseits von der Masse abheben, andererseits aber Gleichheit betonen. Für Männer wirkt das so, als wolle jemand beim Schach spielen, ohne die Regeln zu akzeptieren.


Männer, anders wie Frauen, machen kein grosses Geheimnis daraus, dass wir nicht alle gleich sind. Hierarchie entsteht zwangsläufig. Kein Junge auf dem Schulhof käme auf die Idee, sich selbst als «Power-Boy» zu bezeichnen – denn jeder weiss: Wer sich so nennt, ist keiner. Der bekommt höchstens eins auf die Fresse. Wer sich unter Männern als mächtig positioniert, muss auch mit den Konsequenzen dieser Position rechnen.


Wenn der König auf dem Schachbrett sich nicht an die Regeln hält und sich wie ein Bauer verhält, wird das für einen Mann problematisch. In diesem Spiel funktioniert die Betonung auf «Gleichheit» nicht – entweder man spielt seine Rolle oder verliert an Glaubwürdigkeit. In männlichen Hierarchien gilt: Wer sich als Anführer behauptet, wird nicht als «gleich» wahrgenommen, sondern als jemand mit Macht – und entsprechend respektiert.


Männer sind von klein auf so sehr hierarchisch geprägt, dass sie instinktiv wahrnehmen, ob jemand echte Autorität ausstrahlt oder nur den Anspruch darauf erhebt. Wer sich an die Spitze setzen will, muss beweisen, dass er dort hingehört.


Dasselbe gilt für Frauen. Die Dame ist die mächtigste Figur auf dem Schachbrett, nicht weil sie sich als solche bezeichnet, sondern weil sie durch ihre Spielweise dominiert.


Der Unterschied zwischen einer «Power-Frau» und einer Frau mit Power liegt nicht in der Bezeichnung, sondern in der tatsächlichen Wirkung.


Denn letztlich gilt für beide Geschlechter: Nicht die Position macht den Leader aus – der Leader macht die Position aus.



Die Kunst der mühelosen Power


Das Märchen von der Power-Frau

Als Teenager, der angestrengt versuchte, seinen eigenen Stil zu finden, wurde ich oft von meiner Mutter vor dem Spiegel ertappt. Dann sagte sie mit einer leicht herablassenden Stimme: «Zu gewollt!»


Ob ich mich durch auffällige Mode zu definieren versuchte oder auf andere Weise Eindruck schinden wollte – ihr Urteil blieb dasselbe: «Zu gewollt!»


Damit machte sie mir klar, dass meine Bemühungen zu offensichtlich waren. Und sobald etwas erzwungen wirkt, verliert es seinen Zauber.


«Zu gewollt» ist im Grunde das Gegenteil von «effortless» – einem Begriff, der für eine scheinbare Leichtigkeit steht, mit der etwas ohne erkennbare Anstrengung erreicht wird. Effortless ist Ausdruck natürlicher Souveränität, während das Offensichtliche einer zu grossen Bemühung oft als Mangel an Echtheit wahrgenommen wird. Wer sich zu sehr inszeniert, verliert an Strahlkraft, weil die Fassade das Wesentliche überlagert.


In einer Kultur, in der «effortless» als Ideal gefeiert wird – sei es in Mode, Auftreten oder sozialen Interaktionen – gilt Mühelosigkeit als Zeichen von Kompetenz und Selbstvertrauen. Wer echte Power besitzt, strahlt sie aus, ohne sie betonen zu müssen.


Und genau hier liegt die Parallele zur Power-Frau. Meine Mutter würde sagen: «Power-Frau ist zu gewollt.» Der Begriff erinnert an einen Proteinriegel – funktional, aber künstlich.


Eine Frau, die Stärke und Kompetenz natürlich ausstrahlt, braucht kein Label. Ihre Präsenz allein vermittelt Macht. Im Gegensatz dazu kann eine betont zur Schau gestellte «Power» schnell als Kompensation empfunden werden – als Versuch, etwas zu beweisen, das eigentlich keiner Erklärung bedarf.


Denn eine wahre Königin weiss: In dem Moment, in dem sie betonen muss, dass sie eine Königin ist, hat sie ihre gesamte Macht verspielt.



Die trügerische Natur von Macht und Stärke


Macht ist ein seltsames Konstrukt. Sie definiert sich weder über dein Bankkonto, noch über deinen Besitz, dein Aussehen, deine Körpermasse, deine Zertifikate, deinen Titel, dein Netzwerk oder deinen sozialen Status. Diese Dinge können Macht verstärken, aber sie sind nicht Macht.


Der entscheidende Faktor von Macht ist die Geschichte, die andere in ihrem Kopf über dich spinnen. Diese Narration bestimmt, wie Menschen dich wahrnehmen, wie sie mit dir interagieren und formt letztendlich deine soziale Realität. Wer seine eigene Geschichte kontrolliert, beeinflusst, ob er Respekt, Bewunderung oder Furcht hervorruft.


Weshalb Machiavelli sagte: «Macht ist glauben machen.»


Eine Frau, die das Attribut «Power» vor ihr Geschlecht setzt, will damit ein Statement abgeben. Sie will sich abheben, ihre Geschichte in den Köpfen anderer bestimmen, beeinflussen, wie sie wahrgenommen wird – und letztlich für ihre Leistungen respektiert werden.


Doch hier kommt das Problem: Männer respektieren weder Frauen noch andere Männer, die sich durch Verstärker-Attribute inszenieren. Tatsächlich passiert oft das Gegenteil: Der Respekt sinkt, während die Erwartungshaltung steigt. Wer Power wirklich hat, muss sie nicht betonen. Wer es tut, scheint sich absichern zu wollen – und genau das untergräbt die beabsichtigte Wirkung.


Diese Ausgangslage ist wenig hilfreich.


Weder für die Power-Frauen, noch für die Frauen mit Power.



Die Stimme der weiblichen Power.


Das Märchen von der Power-Frau

Eine Power-Frau ist nicht dasselbe wie eine Frau mit Power. Das eine ist schnell gesagt – das andere ist hart verdient.


Es waren nicht die lautesten Frauen, die die Welt verändert haben. Aber auch keine, die bloss leise blieben. Eine Frau mit Power kann laut sein, ohne Lärm zu machen.


Melinda French Gates bemerkte einmal:


«Eine Frau mit einer Stimme ist, per Definition, eine starke Frau.»


Doch diese Stimme der Stärke wird nicht geschenkt – und als Frau schon gar nicht. Weder durch Selbsternennung noch durch Vererbung. Sie entsteht durch Selbstbewusstsein, Entschlossenheit und den oft langen Kampf gegen Widerstände. Eine solche Stimme wird zu einem Werkzeug der Selbstbehauptung, zu einem Zeichen echter Macht.


Die wahre Herausforderung liegt darin, diese Stimme nicht nur zu haben, sondern sie zu nutzen – so wie es Frauen mit Power immer getan haben.


Madeleine Albright, die erste Aussenministerin der Vereinigten Staaten, verkörperte genau das. Ihre Worte hinterlassen eine Botschaft, die für alle Frauen gilt, die gehört werden wollen:


«Ich habe ziemlich lange gebraucht, um eine Stimme zu entwickeln, und jetzt, wo ich sie habe, werde ich nicht schweigen.»


 

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