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Salvatore Princi, Kommunikationstraining

Die Macht der Aufmerksamkeit und wie wir mit ihr Manipulieren.

Aktualisiert: 1. Feb.


Die Macht der Aufmerksamkeit und wie wir mit ihr Manipulieren.

Aufmerksamkeit ist ein wertvolles Gut: Wenn wir jemandem unser ungeteiltes Interesse schenken, signalisieren wir Wertschätzung und unterstreichen, dass diese Person (oder Angelegenheit) es verdient, gehört und bedacht zu werden. Folglich kann die Intensität, mit der wir unsere Aufmerksamkeit in unterschiedlichen Situationen verteilen, ein Hinweis auf die zugrundeliegenden Machtstrukturen sein.


Zahlreiche Studien befassen sich damit, wie Macht und Aufmerksamkeit den Kommunikationsstil von Frauen und Männern jeweils prägen. In diesem Zusammenhang lohnt es sich, genauer zu betrachten, wie Aufmerksamkeit gezielt als strategisches Machtinstrument eingesetzt werden kann. Denn wer sich dieser Dynamik bewusst ist, kann bewusst steuern, wie er mit Kollegen oder Untergebenen interagiert – und so ein konstruktiveres Miteinander schaffen.


Die Macht der Ablehnung oder des Entzugs von Aufmerksamkeit


Wer spricht, möchte überzeugen. Wer überzeugen will, braucht Einfluss. Und wer Einfluss nehmen will, ist auf Aufmerksamkeit angewiesen. Kommunikation dreht sich im Kern immer um diesen Punkt: Aufmerksamkeit. Sie ist gewissermassen die «härteste Währung», weil sie massgeblich bestimmt, wer gehört wird und wer nicht. In diesem Sinne ist Aufmerksamkeit einer der stärksten Machtfaktoren.


Eine weitverbreitete und subtile Methode, Macht auszuüben, besteht darin, anderen bewusst keine oder nur unzureichende Aufmerksamkeit zu schenken. Indem man sich weigert, die Anwesenheit oder Aussagen einer Person vollständig anzuerkennen, vermittelt man unmissverständlich, dass man selbst am längeren Hebel sitzt – man muss sich nicht anstrengen, Respekt zu erweisen oder aktiv zuzuhören. Dieser Mechanismus verdeutlicht, wer in einer Situation das Sagen hat.


Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diese Form von Machtspiel durch den bewussten Entzug von Aufmerksamkeit zum Ausdruck zu bringen. Die folgenden Beispiele veranschaulichen das besonders deutlich:


  • Zu spät zu Verabredungen erscheinen Natürlich kommt es vor, dass man sich einmal verspätet. Wenn jedoch Personen regelmässig verspätet zu Meetings oder Terminen erscheinen, wirkt das wie eine gezielte Missachtung der Zeit anderer. Wer so handelt, signalisiert, dass er selbst wichtiger ist, und versucht, beim Ablauf der Zusammenkunft die Oberhand zu behalten.

  • Telefonieren während Besprechungen oder Unterricht Der Griff zum Telefon während einer Sitzung oder Lektion hat eine klare Botschaft: «Meine Zeit ist wertvoller als die aller Anwesenden». Besonders in einer höheren Stellung können sich manche Personen diesen Vertrauensbruch eher erlauben als andere, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Für Untergebene oder Personen mit niedrigem Status würde ein solches Verhalten hingegen schnell als unprofessionell gelten.

  • Reduzierter Augenkontakt beim Zuhören Ein typisches Machtspiel, das häufig von hochrangigen Personen (oftmals Männern) angewandt wird: Während jemand anderes spricht, wird kaum oder gar kein Blickkontakt hergestellt. Das vermittelt, dass der Beitrag des Gegenübers nicht wichtig ist. Sobald sie selbst jedoch das Wort ergreifen, suchen sie intensiv den Augenkontakt, um sicherzustellen, dass ihre eigene Botschaft Gehör findet.

  • Keine Fragen stellen Kaum etwas ist unangenehmer, als eine Präsentation zu beenden und in der anschliessenden Fragerunde nichts als Schweigen zu ernten. Schnell zweifelt man an der Relevanz oder Qualität des eigenen Vortrags. Auch in alltäglichen Gesprächen wird das Ausbleiben von Fragen meist als Desinteresse gewertet. Fragen signalisieren Aufmerksamkeit und räumen dem Gegenüber Zeit und Raum ein – sie sind ein wichtiger Schlüssel, um Wertschätzung und Neugier zu zeigen.


Mit diesen Verhaltensweisen kann man subtil, aber nachhaltig Macht demonstrieren. Wer sich dieser Dynamiken bewusst ist, kann nicht nur das eigene Kommunikationsverhalten reflektieren, sondern auch sensibler mit Situationen umgehen, in denen einem selbst gezielt die Aufmerksamkeit entzogen wird.

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Geschlechtsspezifische Unterschiede in Machtdynamiken


Neben weiteren Beispielen, wie ein Machtgefälle durch den gezielten Entzug von Aufmerksamkeit entstehen kann, spielen auch geschlechtsspezifische Unterschiede eine wesentliche Rolle. Frauen und Männer richten ihre Aufmerksamkeit aufgrund unterschiedlicher sprachlicher und nonverbaler Kommunikationssysteme oft auf verschiedene Aspekte und messen diesen Merkmalen jeweils unterschiedliche Bedeutungen bei:

  • Unterschiede bei der Redezeit Zahlreiche Witze zielen darauf ab, Frauen als übermässig redselig darzustellen – als ob sie ununterbrochen sprechen würden. Studien zeigen jedoch immer wieder, dass es vor allem in beruflichen Kontexten die Männer sind, die tendenziell mehr Redezeit beanspruchen – selbst wenn beide Geschlechter über vergleichbare Fachkenntnisse und Autorität verfügen. Männer neigen dazu, Gespräche zu dominieren und andere zu unterbrechen, sobald sie sich auf der «öffentlichen Bühne» befinden, was vor allem im beruflichen Umfeld dazu dient, den eigenen Status zu festigen und die Kontrolle über die Gesprächsdynamik zu erlangen.

  • Unterschiede beim Einsatz der Körpersprache Auch im nonverbalen Bereich zeigen sich klare Differenzen: Männer setzen ihre Körpersprache häufig gezielt als Machtinstrument ein. Sie signalisieren mit einem ausgeprägten Revierverhalten, dass sie die Führung innehaben. Bereits der erste Eindruck – etwa der Unterschied zwischen einem selbstbewussten, gemächlichen Gang und einem hektischen, fremdbestimmten Tempo beim Betreten eines Sitzungsraums – kann unbewusst Botschaften über Rang und Autorität vermitteln. Für Männer, die ihre Position demonstrieren wollen, sind derartige Signale keine Zufallsprodukte, sondern ein fester Bestandteil ihrer Kommunikationsstrategie. Hier gilt schliesslich das Motto: Ein richtiger Chef rennt nicht, sondern lässt rennen.

  • Unterschiede im Sprachgebrauch Frauen und Männer wählen beim Sprechen oft unterschiedliche Strategien, um sich auszudrücken und ihre Beiträge in Gesprächen zu positionieren. Frauen tendieren dazu, sich mit Formulierungen wie «Ich denke, dass…» oder «Ich bin keine Expertin, aber…» abzusichern. Dieser symmetrische Kommunikationsstil (horizontale Kommunikation) zielt darauf ab, Gleichheit, Solidarität und Nähe zu signalisieren, statt den eigenen Rang zu betonen. Im Gegensatz dazu bevorzugen Männer einen eher asymmetrischen, hierarchisch orientierten Sprachstil (vertikale Kommunikation), der den persönlichen Status und die Autorität stärker in den Vordergrund stellt. Diese unterschiedlichen Ansätze führen dazu, dass selbst identische inhaltliche Beiträge unterschiedlich wahrgenommen werden – während absichernde Formulierungen bei Frauen schnell als Zeichen von Bescheidenheit oder Unsicherheit interpretiert werden können, deuten sie bei Männern selten auf eine Rangherabstufung hin.

Durch diese Unterschiede in Redezeit, Körpersprache und Sprachgebrauch entsteht nicht nur ein unterschiedlicher Wahrnehmungsfokus, sondern auch eine divergent wirkende Machtdynamik zwischen den Geschlechtern. Wer sich dieser Mechanismen bewusst ist, kann sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext gezielter und reflektierter kommunizieren.



Wachsamkeit und gegenseitiges Verständnis


In jedem Gespräch und in jeder Beziehung existiert – abhängig vom jeweiligen Kontext – ein situatives Machtgefälle. Die eigene Positionierung innerhalb dieses Gefälles hängt massgeblich davon ab, wie Aufmerksamkeit verteilt und wahrgenommen wird. Wer die Mechanismen dieser «Währung der Macht» versteht und sich bewusst macht, wie sie Entscheidungsprozesse beeinflusst, kann strategisch entscheiden, wann und wo er seine Aufmerksamkeit gezielt einsetzt – und damit auch, wann sie verdient und effektiv genutzt wird.


Im Kern dreht sich jede Kommunikation um eines: Aufmerksamkeit. Eine wichtige Botschaft benötigt Zustimmung, und ohne die Aufmerksamkeit der Zuhörerschaft bleibt selbst der beste Inhalt wirkungslos. Dabei ist es eine Sache, jemandem Aufmerksamkeit zu schenken – doch eine ganz andere, diese gezielt für eigene Zwecke zu erzeugen.


Deshalb ist es unerlässlich, die zugrunde liegenden kommunikativen und psychologischen Mechanismen zu kennen, die Aufmerksamkeit hervorrufen. Es lässt sich dabei so zusammenfassen: Wer Aufmerksamkeit anstrebt, muss Einfluss ausüben. Wer Einfluss ausüben will, muss überzeugen – und wer überzeugen will, muss die Kunst der Sprache beherrschen. Denn Reden ist mehr als nur Informationsaustausch: Es ist das gezielte Erzeugen von Wirkung, und Wirkung ist gleichbedeutend mit Macht.


Kommunikation ist keine Einbahnstrasse. Daher sollten wir offen für unterschiedliche Ausdrucksformen und Kommunikationsstile bleiben. Es ist ratsam, regelmässig die eigenen Sprachgewohnheiten zu hinterfragen – nur weil eine bestimmte Ausdrucksweise vertraut und mühelos erscheint, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass sie in allen Situationen die bestmögliche Wirkung erzielt.


 

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